St. Barbara-Bruderschaft Bliesen
Barbaraverehrung und Bruderschaften
Bedenkt man, dass bis weit ins 20. Jahrhundert der Bergmannsberuf unter Tage stets mit lebensbedrohlichen Gefahren verbunden war, verwundert es nicht, dass der Bergbau auch eine tief verwurzelte religiöse Komponente hat. Auch wenn dank modernster Technik und Wetterführung die Gefahren unter Tage minimiert werden konnten, hatte die Barbaraverehrung immer einen festen Platz im Kalender der Bergleute. Der 4. Dezember, der Barbaratag, wird auch offiziell in Form der Barbarafeier begangen, allerdings nicht in religiöser Ausprägung. Der Barbaratag war in Zeiten des aktiven Bergbaus im Saarland arbeitsfrei.
Während die Barbaraverehrung auf allgemeinen christlichen Wurzeln gründet, hat die Zuwendung zu der Heiligen in Form der St. Barbara Bruderschaften eine stark konfessionell-katholisch geprägte Komponente. Um deren Geschichte zu verstehen, muss man einen Blick zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts werfen. Es war die Zeit, als immer mehr Schächte im Saarrevier abgeteuft wurden und der technische Fortschritt die Zahl der Bergleute sprunghaft ansteigen ließ. Während aber die alteingesessenen Bewohner der Grubenstandorte im Sulzbach- und Fischbachtal weitgehend evangelisch waren, strömten die Bergleute zu großen Teilen aus den katholischen Orten des nördlichen Saarlandes herbei, was mitunter zu konfessionellen Spannungen führte.
Fest verwurzelt im katholischen Glauben den bergmännischen Corpsgeist zu stärken, war erklärtes Ziel des Ottweiler Pfarrers Hansen, als dieser 1855 die erste St. Barbara Bruderschaft gründete. Ottweiler war zu jener Zeit stark evangelisch geprägt. Weitere St. Barbara Bruderschaften folgten in den nächsten Jahren. Seit 1859 gab es mit den Knappenvereinen auch eine weltlich geprägte Alternative hierzu. Bis heute ist aus der Tradition heraus der katholische Pfarrer von Ottweiler Generalpräses, also geistliches Oberhaupt, aller Barbara Bruderschaften im Saarland.
So war es auch selbstverständlich, dass der amtierende Generalpräses, Pater Otto Kutka, mit dabei war, als die St. Barbara Bruderschaft aus dem St. Wendeler Stadtteil Bliesen im September 2011 ihr 140-jähriges Bestehen feiern konnte.
Mehr als 20 Fahnenabordnungen waren zum Gottesdienst und zum anschließenden Festakt gekommen, doch schon der Altersschnitt lässt erahnen, dass es nicht nur wegen des auslaufenden Bergbaus schwer fällt, neue Mitglieder für die Bruderschaft zu werben. In Bliesen sind es immerhin noch 112, überwiegend Berg- und Hüttenleute, aber nur wenige von ihnen sind als Mitglieder aktiv. Schon seit vier Jahrzehnten bekleidet Herbert Weber das Amt des Vorsitzenden.
Die Bliesener Bruderschaft ist noch immer ein Männerbund, andernorts hat man sich auch Frauen geöffnet. Gottesdienst und Festakt unterstreichen dies: Viele Frauen in Bergmannstracht reihen sich ein, das sei möglich, weil viele Bruderschaften inzwischen zugleich Sterbekassen seien und die Frauen quasi über diesen „Umweg“ Zugang zu den Bruderschaften gefunden hätten, sagt Herbert Weber.
Heute ist die St. Barbara Bruderschaft in Bliesen längst nicht mehr konfessionelle Speerspitze, heute ist man als Verein im Ortsleben verwurzelt, hilft gerne mal bei anderen Vereinen aus, wenn Helfer – etwa bei Festen – gebraucht werden. Auch im kirchlichen Leben hat die Bruderschaft ihren Platz. Die von ihr gestiftete Kerze mit dem Bildnis der Hl. Barbara brennt in den Gottesdiensten unter der Heiligenstatue, am 2. Weihnachtsfeiertag stellt eine Abordnung der Bruderschaft die Messdiener und zieht mit Fahne und Geleucht in Begleitung des Ortspfarrers in die Kirche ein. Dass sich Mitglieder der Bruderschaft während der Schulzeit als Messdiener bei Beerdigungen verdingen, ist sicherlich eine lokale Besonderheit, aber wenn die jungen Messdiener noch in der Schule sitzen, müssen eben die „älteren“ ran.
Andernorts, berichtet Herbert Weber, tragen Mitglieder der Bruderschaft an Fronleichnam noch den „Himmel“, unter dem der Priester mit dem Allerheiligsten durch die Straßen zieht.
In den 1950er Jahren seien noch einmal viele neue Mitglieder in die St. Barbara Bruderschaften eingetreten, erinnert sich Herbert Weber. Damals sei die Aufnahme feierlich am Altar erfolgt. Inzwischen ist man so realistisch, dass man das 140-jährige Bestehen gefeiert hat, weil es keineswegs gewiss ist, dass die Bruderschaft zum großen Jubiläum, der 150-Jahr-Feier, noch besteht. Ein hoher Altersschnitt und das Ende des Bergbaus schaffen keine guten Voraussetzungen. „Wir werden aber alles daransetzen, die Bergbautradition hochzuhalten“, versichert Herbert Weber.
Thomas Trapp